§ 1615 l BGB – Ein Weg zu finanziellem Ausgleich für Care-Arbeit

Eltern, die kleine Kinder betreuen und deshalb weniger erwerbsarbeiten können, haben gegenüber dem anderen Elternteil einen finanziellen Nachteil. Ich denken, dass dieser Nachteil ausgeglichen werden muss. Hier liest du, wie du deine Ansprüche durchsetzen kannst.

1. Einleitung: Was ist § 1615 l BGB und welche Relevanz hat die Norm für Care-Arbeit?

§ 1615 l BGB ist ein deutsches Gesetz, das den finanziellen Ausgleich für Care-Arbeit vorsieht. Dieses Gesetz ist relevant für Mütter, die ihre Kinder selbst betreuen, da es ihnen ermöglicht, gerichtlich Unterhalt von ihren Ex-Partnern einzuklagen. Durch dieses Gesetz wird die Care-Arbeit endlich anerkannt und Mütter erhalten die finanzielle Unterstützung, die sie verdienen.

2. Wie funktioniert § 1615 l BGB?

§ 1615 l BGB ist ein Gesetz, das Müttern hilft, die Erziehung ihrer Kinder zu sichern. Die Vorschrift sieht vor, dass Mütter bis zum dritten Geburtstag ihrer Kinder Anspruch auf Unterhalt haben, auch wenn sie mit dem Vater nie verheiratet waren. Dies gilt auch, wenn die Kinder in einer Kita oder ähnlicher Einrichtung betreut werden. Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt endet aber nicht automatisch mit dem dritten Geburtstag des Kindes. Wenn du eine Mutter bist, die ihr Kind selbst betreut, weil du trotz Bemühung keinen Kitaplatz bekommen kannst oder die Kitazeiten keine Vollzeittätigkeit zulassen, hast Du auch nach dem dritten Geburtstag weiterhin Anspruch auf Betreuungsunterhalt.

3. Welchen finanziellen Ausgleich bietet dieses Gesetz?

Grundsätzlich ist der Vater verpflichtet, einen Ausgleich bis zum letzten Nettogehalt vor der Geburt zu zahlen. Elterngeld ist auf den Anspruch anzurechnen, wobei ein Freibetrag in Höhe von 300 Euro und bei Elterngeld plus ein Freibetrag in Höhe von 150 Euro abgezogen werden darf. Wenn du mit Kleinkind unter drei Jahren z.B. Teilzeit in Elternzeit arbeitest, wird dir in den ersten zwei Lebensjahren dein Erwerbseinkommen in der Regel nicht angerechnet, im dritten Lebensjahr rechnen die meisten Gerichte das Einkommen der Mutter teilweise an. Ab dem dritten Lebensjahr musst du so viel arbeiten, wie es neben der Kinderbetreuung tatsächlich im konkreten Fall möglich ist. Dieser Betrag wird dann bei der Berechnung als dein Einkommen berücksichtigt, auch wenn du tatsächlich weniger arbeitest. Man spricht hierbei von fiktivem Einkommen wegen Verletzung einer Erwerbsobliegenheit.

4. Wer kann von Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB profitieren und wer nicht?

§ 1615 l BGB gilt nur für betreuende Mütter, die mit dem Vater des Kindes nicht verheiratet waren. Für verheiratete und geschiedene Mütter gibt es in den § 1361 BGB und § 1570 BGB allerdings Parallelvorschriften, mit gleichen Voraussetzungen.

Du kannst keinen Betreuungsunterhalt verlangen, wenn dem Vater unter Berücksichtigung der Zahlung von Kindesunterhalt weniger als 1.510 Euro bei Erwerbseinkommen und weniger als 1.385 Euro bei sonstigem Einkommen verbleibt (Stand 2023).

Väter können selbstverständlich nach den gleichen Vorschriften Betreuungsunterhalt von der Mutter verlangen, wenn Sie die Care-Arbeit übernehmen.

5. Ab wann besteht ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt?

Bereits mit Beginn des Mutterschutzes, also in der Regel 6 Wochen vor der Geburt, hat die Mutter einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, sofern sie bereits in diesem Zeitraum einen finanziellen Nachteil hat oder weniger als 1.120,00 Euro netto verdient.

Dies ist hauptsächlich relevant für Mütter, die als Selbständige bzw. Freelancerin arbeiten oder z.B. wegen der Betreuungs von älternen Kindern nicht oder wenig gearbeitet haben.

In Ausnahmefällen, also z.B. bei einem Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft, kann der Ausgleichsanspruch während der letzten 4 Monate der Schwangerschaft bestehten.

6. Kann ich Betreuungsunterhalt rückwirkend verlangen?

Grundsätzlich ist Betreuungunterhalt ab dem dem Monat rückwirkend zu zahlen, in dem er erstmals eingefordert wurde. Ausreichend ist, dass der andere Elternteil zur Auskunft über seine Einkommen- und Vermögensverhältnisse aufgefordert wurde.

Ausreichend ist eine mündliche Aufforderung. Aus Beweisgründen ist allerdings eine schriftliche Aufforderung mit Empfangsbestätigung sinnvoll.

Wenn die Vaterschaft erst später anerkannt oder festgestellt wurde, ist Betreuungsunterhalt ohne vorherige Aufforderung rückwirkend bis zu 4 Monate vor der Geburt zu zahlen. Wichtig ist, dass dies unmittelbar nach Vaterschaftsanerkennung oder Vaterschaftsfeststellung eingefordert wird.

7. Werden neben Verdienstausfall noch andere Kosten ersetzt?

Ja, gem. § 1615 l BGB sind auch Kosten, die infolge der Schwangerschaft oder der Entbindung entstehen, zu ersetzen.

Bei diesen Kosten kommt es nicht darauf an, wann sie entstanden sind. Die für den Verdienstausfall geldtende 4-Monats-Begrenzung gibt es hier also nicht.

Kosten anlässlich Geburt und Schwangerschaft können grundsätzlich auch rückwirkend verlangt werden, auch ohne dass der andere Elternteil vor dem Anfall der Kosten zur Zahlung aufgefordert wurde. Dies ergibt sich aus §§ 1615 l Abs. 2 S. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

8. Fazit: Warum sollte man sich über § 1615 l BGB informieren?

Ca. 50% der alleinerziehenden Mütter mit kleinen Kindern sind von Armut betroffen, selbst wenn sie eine gute Ausbildung und eine unbefristete Anstellung haben. Wenn du einen unbefristeten Arbeitsvertrag hast, in Elternzeit bist und das Elterngeld ausläuft, hast du z.B. keinen Anspruch auf reguläres Arbeitslosengeld.

In Deutschland gibt es deshalb zu Recht einen gesetzlichen Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Nur in den ersten drei Lebensjahren beträgt der durchschnittliche Ausgleichsanspruch bereits 30.000 Euro.

Du solltest auf diesen gerechten Ausgleich für deine Care-Arbeit deshalb nur verzichten, wenn Du es dir wirklich leisten kannst und leisten willst. Um das herauszufinden, solltest du dich unbedingt beraten lassen.

9. Wo finde ich eine Beratungsstelle für Betreuungsunterhalt?

Beratung und Beurkundung durch das Jugendamt

Unverheiratete Eltern können sich von der Beistandschaft beim Jugendamt nicht nur zum Kindesunterhalt, sondern auch zu ihrem Anspruch auf Betreuungsunterhalt kostenlos beraten lassen.

Wenn ihr euch dort einig werdet, kann das Jugendamt eure Vereinbarung über die Ausgleichszahlung beurkunden. Diese Jugendamtsurkunde hat die gleiche Rechtswirksamkeit wie eine notarielle Urkunde. Das heißt insbesondere, dass der beurkundete Anspruch ohne vorheriges Gerichtsverfahren vollstreckt werden kann. Das ist wichtig für den Fall, dass ihr euch zukünftig nicht mehr einig seid. Die Beurkundung durch das Jugendamt ist ebenfalls kostenlos.

Beratung und gerichtliche Vertretung durch Rechtsanwält*innen

Wenn ihr euch nicht einig werden, ist für die gerichtliche Durchsetzung der Ansprüche die Beauftragung einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts notwendig. In Unterhaltssachen besteht vor dem Familiengericht gem.  § 114 FamFG Anwaltszwang. Anders als in Verfahren zum Kindesunterhalt darf die Beistandschaft in Verfahren zum Betreuungsunterhalt nicht vor Gericht auftreten.

Der Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB ist in der Bevölkerung wenig bekannt. Noch weniger bekannt ist, dass das Jugendamt dazu berät. Deshalb kommt es in der Praxis häufig vor, dass die zuständigen Jugendamtsmitarbeiter*innen wenig Erfahrung mit Betreuungsunterhalt haben und deshalb keine vollständige Beratung leisten können.

In solchen Fällen ist es ratsam, schon außergerichtlich Rechtsanwältinnen zu beauftragen, die auf Familienrecht spezialisiert sind und im besten Fall regelmäßig Betreuungsunterhalt vor Gericht durchsetzen. 

Auch wenn ihr mit Hilfe von  Rechtsanwält*innen eine außergerichtliche Lösung findet, könnt ihr eure Vereinbarung beim Jugendamt kostenlos beurkunden lassen. 

Seit 2018 führe ich regelmäßig und erfolgreich Gerichtsverfahren in Sachen Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB für Jobcenter. Die betroffenen Frauen wussten nicht, was ihnen gesetzlich für ihre Care-Arbeit zusteht. Das will ich ändern.

Birte Strack

Rechtsanwältin

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