Die Düsseldorfer Tabelle 2024: Eine Mogelpackung für unterhaltsberechtigte Kinder

Alle Jahre wieder sorgt die Düsseldorfer Tabelle kurz vor Weihnachten für Diskussionen. Auch in diesem Jahr wurde der Mindestunterhalt für 2024 durch die Mindestunterhaltsverordnung deutlich angehoben. Die Zahlbeträge (=Mindestunterhaltsbetrag abzüglich der Hälfte des gesetzlichen Kindergeldes) belaufen sich ab Januar 2024 auf 355 Euro (0-5 Jahre), 426,00 Euro (6 – 11 Jahre) bzw. 520,00 Euro (12 – 17 Jahre). Die Mindestunterhaltsbeträge (nicht die Zahlbeträge) steigen von 437 Euro, 502 Euro bzw. 588 Euro auf 480 Euro, 551 Euro bzw. 645 Euro. Vergleicht man die Mindestunterhaltsbeträge, ergibt sich eine Steigerung um fast 10%. Die weiteren Neuerungen in der Düsseldorfer Tabelle bewirken jedoch, dass unterhaltsberechtigte Kinder von der gesetzlichen Anhebung des Mindestunterhalts kaum profitieren.

Im folgenden Blogbeitrag wird erklärt, warum das so ist und was der Gesetzgeber ändern müsste, um die Situation der unterhaltsberechtigten Kinder zu verbessern.

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Was ist die Düsseldorfer Tabelle?

Die Düsseldorfer Tabelle ist kein Gesetz, sondern beruht auf Koordinierungsgesprächen unter Beteiligung aller Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstages e.V. Lediglich die Mindestunterhaltsbeträge werden durch den Gesetzgeber in der Mindestunterhaltsverordung (MinUhV) geregelt und legen somit nur in der ersten Einkommensstufe den Unterhalt fest. Die weiteren Beträge, Einkommensgruppen und Selbstbehalte basieren hingegen allein auf Abstimmungen von Gerichten. Obwohl die Tabelle nur begrenzte Gesetzeskraft hat, ist sie in der Praxis der Richtwert für Kindesunterhalt. Bei Jugendämtern und vor Gericht ist die Düsseldorfer Tabelle somit der Standard für den Unterhalt von Kindern in Scheidungs- und Trennungsfamilien.

Die komplette Düsseldorfer Tabelle 2024 als kostenlosen Download gibt es hier.

Die Anhebung des Mindestunterhalts um 10% setzt sich bei Kindern, denen bislang mehr als Mindestunterhalt zustand, nicht durch.

Der Verordnungsgeber hebt den Mindestunterhalt in der ersten Einkommensgruppe um fast 10% an. Das klingt nach einer positiven Veränderung gegen Kinderarmut, aber der Teufel steckt im Detail. Die Erhöhung setzt sich nicht bei den Kindern durch, die bisher mehr als Mindestunterhalt beanspruchen konnten. Das liegt daran, dass die Einkommensgruppen neugestaltet wurden. Haben Kinder bis 2023 bereits ab einem bereinigten Elterneinkommen von 1.900 Euro mehr als Mindestunterhalt bekommen, müssen sie sich ab 2024 bis zu einem bereinigten Einkommen von 2.100 Euro mit Mindestunterhalt zufriedengeben. Berücksichtigt man die Neueinteilung der Einkommensgruppen, erhöht sich der Anspruch von Kindern, die bislang mehr als Mindestunterhalt beanspruchen konnten, um lediglich 5%. Weil die Inflationsrate zuletzt bei über 6% lag, bleibt die faktische Unterhaltssteigerung somit deutlich hinter der Teuerungsrate zurück. (Quelle: Tagesschau.de) Es gibt also etwas mehr Unterhalt, mit dem sich die Kinder allerdings weniger kaufen können.

Gute Gaben nur für Wenige: Der Einfluss der Selbstbehaltssätze in der Düsseldorfer Tabelle 2024.

Die erneute deutliche Anhebung der Selbstbehaltssätze der Pflichtigen durch die Düsseldorfer Tabelle 2024 wirft einen Schatten auf die vermeintlich guten Gaben des Gesetzgebers. Der Selbstbehalt der Pflichtigen, also der Betrag, den die Pflichtigen nicht für Kindesunterhalt einsetzten müssen, ist seit 2018 von 1080 Euro auf 1450 Euro in 2024 angehoben worden. Allein die Steigerung in der Düsseldorfer Tabelle 2024 im Vergleich zur Düsseldorfer Tabelle 2022 beträgt 290 Euro, bzw. 25%.

Diese Erhöhung der Selbstbehalte der Pflichtigen, geht zu Lasten der unterhaltsberechtigten Kinder. Deutlich mehr Kinder als bisher werden voraussichtlich in den Mindestunterhalt rutschen oder sogar nur einen Mangelunterhalt beziehen, ohne einen angemessenen Ausgleich dafür zu erhalten.

Warum die neue Düsseldorfer Tabelle mehr Kinder in den Mangelunterhalt schickt.

Die Düsseldorfer Tabelle geht als Regelfall von zwei Unterhaltspflichten aus. Die neuen Selbstbehalte führen dazu, dass schon ab dem zweiten Kind niemand in der ersten Einkommensgruppe mehr Mindestunterhalt – also das absolute Existenzminimum – tatsächlich zahlen muss.

Ein Rechenbeispiel: Die erste Einkommensgruppe geht bis 2.099 Euro bereinigtes Einkommen. Bis zum Selbstbehalt von 1.450,00 Euro steht für die Kinder also ein Unterhaltsbetrag in Höhe von maximal 649 Euro zur Verfügung. Der Mindestunterhalt für zwei Kinder unter 6 Jahren beträgt bereits 710,00 Euro. Bei älteren Kindern ist der Fehlbetrag entsprechend höher.

    Mangelunterhalt: Wer zahlt für Kinder, wenn es der eigentlich unterhaltspflichtige Elternteil nicht muss?

    Mangelunterhalt bedeutet, dass das unterhaltsberechtigte Kind weniger als das Existenzminimum (=Mindestunterhalt) erhält, weil ansonsten der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gefährdet wäre. Bei mehreren unterhaltsberechtigten Kindern wird der Mindestunterhalt jeweils prozentual gekürzt. Die Pflichtigen hingegen dürfen ihren Selbstbehalt in jedem Fall für sich behalten. Dabei liegt der Selbstbehalt für Erwerbstägige mit 1450 Euro bereits deutlich über dem sozialrechtlichen Existenzminimum für Erwachsene. Im Vergleich dazu müssen die Elternteile, bei denen die Kinder wohnen, sozialrechtlich deutlich mehr von ihrem Einkommen für den Unterhalt ihrer Kinder einsetzten (§ 9 Abs. 2 SGB II). Sie können sich nicht auf einen Selbstbehalt von 1.450 Euro berufen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass das Armutsrisiko von Alleinerziehenden deutlich höher ist als von Alleinstehenden und mit der Anzahl der Kinder signifikant ansteigt.

    Ein ungünstiger Trend: Unterhaltspflichtige werden besser geschützt als ihre unterhaltsberechtigten Kinder.

    Die Düsseldorfer Tabelle 2024 setzt einen ungünstigen Trend fort: Kinder von Geringverdienern erhalten höchstens den Mindestunterhalt, in immer mehr Fällen allerdings nur einen Mangelunterhalt, der entweder vom betreuenden Elternteil oder durch Sozialleitungen aufgefangen werden muss.

    Kinder von Besserverdienenden profitieren vergleichsweise wenig vom Einkommen des zahlungspflichtigen Elternteils. Erst bei einem bereinigten Nettoeinkommen von 3.500 Euro bis 4.000 Euro und nicht mehr als zwei Unterhaltsberechtigten ist der sozialrechtliche Bedarf der Kinder, also das absolute Minimum an Lebenshaltungskosten, durch Unterhalt nach Düsseldorfer Tabelle gedeckt. Von einem gehobenen Lebensstandard sprechen wir hierbei ausdrücklich nicht.

    Unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des unterhaltspflichtigen Elternteils besteht also ein Missstand, der die betreuenden Elternteile vor große Herausforderungen stellt: Denn sie sind es letztlich, die diese Fehlbeträge neben der Care-Belastung aufbringen müssen.

    Forderung nach Veränderung: Ein Appell an den Gesetzgeber

    Verbände, wie der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb), setzen sich für ein gendergerechtes Unterhaltsrecht ein. Unter anderem wird gefordert, dass der Gesetzgeber alle wichtigen Eckpunkte zum Unterhalt selbst regelt.

    Die Unzufriedenheit mit der Umsetzung der Mindestunterhaltsverordnung zeigt aus Sicht von Prof. Dr. Anna Lena Göttsche, Vorsitzende der Kommission Familien-, Erb- und Zivilrecht beim djb ein demokratisches Defizit.

    Die Forderung nach einer umfassenden Übernahme der Verantwortung für die Düsseldorfer Tabelle und die Gestaltung des Kindesunterhalts für alle Einkommensgruppen wird von djb-Präsidentin Ursula Matthiessen-Kreuder laut. Ein Weckruf an den Gesetzgeber, Veränderungen anzustoßen, ist die Pressemitteilung vom 18.12.2023.

     

    Ein gerechtes Unterhaltsrecht muss Kinder vor Armut schützen. Aktuell ist das nicht der Fall.

    Ich engagiere mich deshalb ehrenamtlich im Deutschen Juristinnenbund e.V., weil ich der Überzeugung bin, dass eine feministische Rechtspolitik notwendig ist, um unsere Gesellschaft für alle gerechter zu gestalten. 

    Birte Strack

    Rechtsanwältin für Familienrecht im Raum Grünstadt, Kaiserslautern, Eisenberg , Kirchheimbolanden und Rockenhausen

    Düsseldorfer Tabelle: Mehr als Unterhalt für Kinder

    Die Düsseldorfer Tabelle enthält nicht nur Regelungen zum Kindesunterhalt, sondern auch zum Trennungsunterhalt, nachehelichen Unterhalt und Betreuungsunterhalt.

    Wer einen Anspruch auf Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt hat, ist hier zu lesen. 

    Informationen zum Betreuungsunterhalt, also dem Unterhalt für nicht verheiratete Mütter, gibt es hier.

    Workbook Kindesunterhalt nach Düsseldorfer Tabelle 2024

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    Düsseldorfer Tabelle zum Hören

    In der Folge 131 des Erfolgspodcasts „Das AE-Team, der positive Podcast für Alleinerziehende“ von und mit Silke Wildner & Sina Wollgramm erkläre ich ganz ausführlich, wie man Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle 2024 und der Unterhaltsleitlinie 2024 des zuständigen OLG ausrechnet.

    Hier geht es direkt zum Podcast.

    … auch zu hören über Spotify.

    Podcast das AE-Team, Kindesunterhalt-Rechtsanwältin-Birte-Strack-im-Interview

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