Teilzeitfalle und Trennungsjahr – Ist nach dem Trennungsjahr Schluss mit Unterhalt?
Trennungen und Scheidungen sind nicht nur emotional, sondern auch finanziell belastend. Oftmals sind es Frauen, die aufgrund von Care-Arbeit und Teilzeit in eine schwierige finanzielle Lage nach einer Trennung geraten. Teilzeit ist bei berufstätigen Müttern die Regel, bei Vätern die Ausnahme. Im Jahr 2021 waren 66,5 % aller Eltern mit Kindern unter sechs Jahren aktiv erwerbstätig. Dabei waren 92,4 % der erwerbstätigen Väter vollzeitbeschäftigt, während nur 7,6 % einer Teilzeittätigkeit nachgingen (Quelle Statistisches Bundesamt).
Aus dieser Teilzeitfalle können sich Mütter ohne finanzielle Hilfe in der Regel nicht befreien. Trotzdem wird der gesetzlich bestehende Anspruch auf Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt oftmals nicht geltend gemacht. Die Gründe dafür sind vielfältig. Sie reichen von falschen Vorstellungen zur Rechtslage, über Scham versagt zu haben bis hin zu Druck und Verunsicherung aus dem Umfeld. Ist die betroffene Frau nicht selbst schuld an ihrer finanziellen Lage?
Die Antwort ist definitiv nein und deshalb ist es nicht nur rechtlich möglich, sondern auch moralisch richtig, für diesen finanziellen Ausgleich zu kämpfen. In diesem Blogartikel wird erklärt, unter welchen Voraussetzungen Frauen Trennungsunterhalt als Ausgleich für Care-Arbeit auch nach Ablauf des Trennungsjahrs geltend machen können.
Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für Trennungsunterhalt?
Der Anspruch auf Trennungsunterhalt ist in §§ 1361, 1360a BGB geregelt. Anders als der nacheheliche Unterhalt ist Trennungsunterhalt dem Grunde nach an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Trennungsunterhalt ist im kompletten Zeitraum zwischen Trennung und Rechtskraft der Scheidung zu zahlen. Lediglich die Unterhaltshöhe kann variieren.
Wie berechnet sich Trennungsunterhalt?
Der Unterhaltsanspruch ergibt sich nach dem Bedarf des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen.
Die Höhe des Unterhaltsbedarfs berechnet sich nach dem sogenannten Halbteilungsgrundsatz. Vereinfacht dargestellt bedeutet dies, dass die jeweiligen Einkommen der Ehegatten zunächst um Kosten und um 10% Erwerbstätigenbonus bereinigt werden. Die Summe der beiden Einkommen wird sodann durch zwei geteilt. Der Besserverdienende muss das ausgleichen, was dem anderen bis zu diesem Betrag fehlt.
Diese Zahlungsverpflichtung besteht allerdings nur, soweit der Ausgleichspflichtige leistungsfähig ist. Ihm muss bei Einkommen aus Erwerbsarbeit ein Selbstbehalt von 1.510,00 Euro (Stand 2023) verbleiben. Die jeweils aktuellen Beträge gibt es auf der Seite des OLG Düsseldorf.
Genaue Unterhaltsberechnungen erstellen Anwält*innen für Familienrecht.
Was ist, wenn die Ehefrau wegen Kinderbetreuung dauerhaft kein Einkommen oder nur ein Teilzeiteinkommen hat? Was ändert sich nach dem Trennungsjahr?
Gerechnet wird mit dem tatsächlich vorhandenen Einkommen. Nur wenn gegen eine Erwerbsobliegenheit verstoßen wird, also weniger Erwerbsarbeit geleistet wird, als zumutbar wäre, wird der Unterhaltsbedarf mit fiktivem Einkommen berechnet.
Fiktives Einkommen ist das Einkommen, das man haben könnte, wenn man der Arbeitsverpflichtung, wie sie nach Gesetz vorgesehen ist, nachkommen würde. Der Umfang dieser Arbeitsverpflichtung bestimmt sich nach unterschiedlichen Kriterien.
Nach § 1361 Abs. 2 BGB kann der nicht erwerbstätige Ehegatte nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit unter der Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann.
In der Rechtspraxis bedeutet dies zunächst, dass i.d.R. während des ersten Trennungsjahrs die bisherige Erwerbstätigkeit nicht ausgeweitet werden muss. Dies gilt unabhängig davon, ob Kinder betreut werden oder nicht. Nach dem Trennungsjahr kommt es auf die individuellen Umstände wie z.B. tatsächliche Möglichkeiten der Fremdbetreuung von Kindern, Vereinbarkeit von Kita-Zeiten und Arbeitszeiten unter Beachtung von Fahrtzeiten und dem Umfang der Gesamtbelastung für Care-Arbeit und Erwerbsarbeit an. Regelmäßig muss bis zur Einschulung nicht in Vollzeit gearbeitet werden.
Arbeitet die Mutter, obwohl sie gleichzeitig noch mindestens ein Kind unter 3 Jahren betreut, wird sogar das tatsächlich erzielte Einkommen nicht oder nur teilweise angerechnet, weil eine Arbeit oder Teilzeitarbeit eigentlich neben der Care-Arbeit überhaupt nicht zumutbar ist. Auf Fremdbetreuung muss sie sich nicht verweisen lassen. Fiktives Einkommen wird in diesen Fällen nie angerechnet.
Entfällt der Unterhaltsanspruch, wenn die Mutter tatsächlich weniger arbeitet als sie nach Ansicht des Gerichts müsste?
Nein, nicht grundsätzlich. Auch in diesen Fällen kommt ein Unterhaltsanspruch noch infrage.
Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die Mutter ihre Teilzeittätigkeit eigentlich ausweiten müsste oder sogar in Vollzeit arbeiten müsste, wird in die Unterhaltsberechnung lediglich anstatt des tatsächlichen Einkommens das Einkommen eingestellt, das die Mutter nach Auffassung des Gerichts erwirtschaften könnte. Kriterien hierfür sind z.B. der Ausbildungsgrad der Mutter, aber auch die zeitliche Belastungsgrenze von Care-Arbeit und Erwerbsarbeit. In all den Fällen, in denen der Vater ein deutlich höheres Einkommen erzielen kann, weil sich seine Karriere während der Ehe besser entwickeln konnte als die der Mutter, ist trotz Verletzung einer Erwerbsobliegenheit auch nach Ablauf des Trennungsjahrs weiterhin Trennungsunterhalt zu zahlen.
Kann Trennungsunterhalt auch rückwirkend gefordert werden?
Ja, aber nur unter den Voraussetzungen des § 1613 BGB. Voraussetzung ist insbesondere, dass der Unterhalt tatsächlich gefordert oder Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zum Zwecke der Unterhaltsberechnung verlangt wurde. Es ist also notwendig, schnell nach der Trennung ins Tun zu kommen. Hierbei helfen auf Unterhalt spezialisierte Rechtsanwält*innen.
Brauche ich zur gerichtlichen Durchsetzung unbedingt einen Anwalt oder eine Anwältin?
In Unterhaltssachen besteht für das Hauptsacheverfahren Anwaltszwang. Eine einstweilige Anordnung, also eine vorläufige Regelung zum Unterhalt, kann auch ohne Anwalt beantragt werden. Das geht schriftlich oder mündlich bei der Rechtsantragsstelle des zuständigen Gerichts. Einfacher ist es jedoch, sich anwaltliche Hilfe zu holen.
Wenn es also einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt als Ausgleich für Care-Arbeit gibt, wieso ist dies in der Bevölkerung so wenig bekannt?
Mütter, die nach einer Trennung für ihre Kinder sorgen, sind oft finanziell und emotional belastet. Der Trennungsunterhalt ist eine finanzielle Unterstützung für die Mutter und die Kinder, die die Kosten für die Betreuung und Erziehung der Kinder decken soll. Doch warum verzichten viele Mütter darauf, Trennungsunterhalt geltend zu machen?
Einer der Hauptgründe ist die gesellschaftliche Erwartung, dass Mütter sich um ihre Kinder kümmern sollten. Dies kann zu einem inneren Konflikt führen, wenn eine Mutter das Gefühl hat, dass sie gegen diese Erwartung verstößt, indem sie Unterhalt einfordert. Hinzu kommt die finanzielle Abhängigkeit vom Ex-Partner, die oft durch die traditionelle Rollenverteilung in der Beziehung entstanden ist. Viele Mütter fühlen sich daher unsicher und hilflos, wenn es um ihre finanzielle Zukunft geht.
Ein weiterer Grund für den Verzicht auf Trennungsunterhalt ist Scham und Stigma. Mütter haben oft das Gefühl, dass sie als Versagerinnen dastehen, wenn sie finanzielle Unterstützung vom Ex-Partner einfordern müssen. Dies kann zu einem Gefühl der Isolation führen und dazu führen, dass Mütter denken, dass sie allein für ihre Kinder sorgen müssen.
Warum sollten Mütter auf Trennungsunterhalt als Ausgleich für Care-Arbeit nicht verzichten?
Der Unterhalt ermöglicht es der Mutter, für ihre Kinder zu sorgen, ohne sich über ihre finanzielle Situation Sorgen machen zu müssen. Eine finanzielle Entlastung kann auch dazu beitragen, dass die Mutter sich besser auf ihre Care-Arbeit konzentrieren kann und somit das Wohlergehen der Kinder verbessert.
Es ist wichtig, dass Mütter sich bewusst sind, dass der Trennungsunterhalt kein Zeichen von Schwäche oder Versagen ist. Es ist eine notwendige Unterstützung für die Care-Arbeit, die Mütter leisten, und ein Beitrag zur Chancengleichheit für Frauen. Mütter sollten sich nicht von Scham oder Stigma abhalten lassen, den Trennungsunterhalt geltend zu machen, sondern sich stattdessen auf ihre Aufgabe konzentrieren, für ihre Kinder zu sorgen.
Bei meiner Arbeit für Jobcenter habe ich Mütter kennen gelernt, die als Ärztin oder Lehrerin eine Festanstellung und einen besserverdienenden Ex-Partner hatten. Weil die Trennung während der Erziehungszeit unerwartet kam, mussten sie Sozialleistungen beantragen. Ich bin mir sicher, dass ihr Umfeld keine Ahnung davon hatte.
Ich möchte Mütter darin bestärken, dass Care-Arbeit wertvoll ist und sie deshalb auch nach der Trennung finanziell ausgeglichen werden muss. Dies einzufordern, ist rechtlich und moralisch richtig.
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